Metamorphosen
Dienstag, 6. Januar 2004
Das Kind malt sich selbst
Am 06. Januar 2004
Das Kind malt sich selbst, Tag für Tag, Jahr für Jahr. Es malt mit Bunt-, Filz- Bleistift, Wachsmalkreiden, Finger-, Wasserfarben, Kohle und Öl.

Das Kind malt sich selbst, Tag für Tag, Jahr für Jahr, in zaghaften, feinen Strichen und Schraffuren, groben, fahrigen Linien, es malt sich eckig und rund, in bunten und düsteren Farben.

Das Kind malt sich selbst, Tag für Tag, Jahr für Jahr und erweckt sich selbst zum leben, erschafft sich selbst nach seinem Bild.

"Mach es anders", raten die Wohlmeinenden, die Liebenden, die Belehrenden, die Gehässigen und versuchen ihre Hand zu führen, ihr die Stifte, die Farben zu entreißen.
"Mach es anders", raten sie, fordern sie, keifen sie, Tag für Tag, Jahr für Jahr, "das ist nicht schön, nicht gut, nicht richtig. Zu grob, zu fein, zu kantig, zu rund, zu bunt, zu blass!".

Nach vielen Tagen und Jahren gibt es auf, das Kind, und überlässt den anderen sein Bild, den Wohlmeinenden, Liebenden, Belehrenden und Gehässigen, geht hin und formt aus Ton völlig unbemerkt, ganz für sich seinen Grabstein.

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Der Pygmalion-Effekt
Am 06. Januar 2004
"Eigenartig ist es schon. Viele wichtige Dinge geraten in Vergessenheit, und Nebensächliches bleibt im Gedächtnis haften - unauslöschlich. So kann ich mich an einen Film erinnern, vor Jahrzehnten als Kind im Kino gesehen, dessen Inhalt mir völlig entfallen ist. Auch weiß ich heute nicht mehr, war es ein Zeichentrickfilm oder ein Film, der sowohl Real- als auch Trickaufnahmen enthielt. An eines aber glaube ich, ganz deutlich mich zu erinnern: Zu Beginn zeichnete ein Kind ein Strichmännchen mit Kreide an die Häuserwand. Und dieses Männchen wurde, durch welch Wunder auch immer, zum Leben erweckt und spielte eine Hauptrolle in diesem Film."

Georg Bernhard Shaw
1856 - 1950

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